IM REICH DER EISBÄREN

 

IM REICH DER EISBÄREN

IM REICH DER EISBÄREN

Aktuell leben in Longyearbyen – Hauptstadt Svalbards und in Ny Ålesund 2379 Menschen (Stand Oktober 2019 (1))

Auf dem Archipel Svalbard sind ca. 3000 Eisbären bekannt (Stand 2017).

Weltweit liegt der Bestand bei ca. 20-25 000 Tieren – Tendenz deutlich sinkend….! Die Arktis schmilzt, der Eisbär stirbt.

Eisbärenjagd

Seit 1973 sind Eisbären durch das Washingtoner Artenschutzabkommen (Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen) weltweit geschützt. Auf Svalbard ist die Jagd auf Eisbären verboten und wird streng geahndet. So konnte sich der Bestand auf dem Archipel erholen (2). Dieses Abkommen greift jedoch nicht in die Souveränität eines Staates ein, d.h. die rechtliche Umsetzung und der Vollzug obliegen jedem Mitgliedstaat. Der Handel von Eisbärfellen ist in Norwegen erlaubt. An vielen Touristenspots, so auch in Longyearbyen, sind deshalb Felle von z.B. kanadischen Eisbären zu erwerben. Die Jagd ist in Kanada, Grönland, Alaska und Russland weiter begrenzt erlaubt und nimmt eher zu. Es werden etwa 1000 Tiere jährlich geschossen (3).

Das größte Landraubtier der Erde

Eisbären, auch Polarbär genannt, sind ist eng mit dem Braunbären verwandt. Neben Kamtschatkabären und Kodiakbären gelten Eisbären als die größten an Land lebenden Raubtiere. Sie bewohnen die nördlichen Polarregionen der Kontinente, Nordamerika, Asien und Europa. Auf der Seite des WWF Polar Bear Tracker kann man verfolgen, in welchen Regionen der Arktis, in unserem Fall Svalbard, Eisbären anzutreffen sind(4). Weibchen werden bis zu 2,4m groß, wiegen 150-350kg und sind eher regional verbunden, während Männchen, bis zu 3m groß und 300-700kg schwer, ein ausgeprägtes Wanderungsverhalten zeigen und weite Strecken durch die gesamte Arktis zurücklegen können.

Eisbärenkontakt nicht ausgeschlossen

Besucht man Svalbard, so ist es lebensnotwendig, sich vorher über die von der Gebietsverwaltung  veröffentlichten Warnungen und Vorschriften im Umgang mit Eisbären zu informieren(5). Allein und unbewaffnet sollte man niemals die Natur erkunden und selbst in Longyearbyen besteht die Möglichkeit einer Konfrontation – nicht umsonst sind die Haustüren der Häuser in der Regel nicht verschlossen, um Fremden, die vor Eisbären Schutz suchen müssen, eine Zuflucht zu bieten. Eisbären sind neugierig und kennen keine Feinde. Die örtlichen Ranger (Sysselmannen) berichteten uns, dass vor allem abgemagerte, alte Bären, Mütter mit Jungtieren, neugierige „Halbstarke“ und an ihren Ruheplätzen aufgeschreckte Bären zu einer echten Gefahr werden. Wir hatten folgende Strategie im Falle einer Begegnung: 1. in der Gruppe breit aufstellen und „groß“ machen, 2. Presslufthorn, 3. Leuchtspurmunition (Seenotsignalpistole H&K P2A1, Kal.4), 3. als allerletztes Mittel: großkalibrige Waffe  (Blaser R8, Kal. 375 H&H). Wir waren sehr froh, keines der Abschreckungsmittel nutzen zu müssen!

Eisbären ertrinken

Eisbären sind Meerestiere, wie es schon der lateinische Name „Ursus maritimus“ besagt. Als hervorragende Schwimmer können sie ohne weiteres größere Entfernungen im Meer zurücklegen, mehr als 100km Schwimmdistanz wurden schon beobachtet (6). Doch in Zeiten der Klimaerwärmung ist genau das aber auch eines ihrer Probleme: wie Studien zeigen, sterben Eisbären in Jahren mit wenig Treibeis deutlich häufiger durch Ertrinken. Und das Eis schmilzt.

Das Eis schmilzt

Die arktische Eisschicht hat sich in den letzten 30 Jahren um fast zehn Prozent zurückgezogen. Eine unvorstellbare Fläche von einer Million Quadratkilometern. Jedes Jahr geht im Nordpolarmeer eine Eisfläche von der Größe der Niederlande verloren. Wissenschaftler warnen, dass innerhalb der nächsten 50 bis 70 Jahre das Nordpolarmeer komplett eisfrei sein könnte. Damit verlieren die, über Jahrtausende an die Eisregionen angepassten, hier heimischen Tiere wie Eisbären, Walrösser und Robben zunehmend ihren Lebensraum. Die circa 25.000 in der Arktis und angrenzenden Gebieten lebenden Eisbären sind für ihre Nahrungssuche auf das Eis angewiesen. Im Zuge der Erderwärmung verlängert sich aber die eisfreie Zeit und die Treibeisflächen werden kleiner. Die Jagdsaison verkürzt sich, die Reviere werden kleiner, lange Hungerperioden sind die Folge. Die Tiere werden anfällig für Krankheiten und der Mangel führt zu einer geringeren Zahl von Nachkommen.

Ein berührendes persönliches Erlebnis berichtete uns Mats Kågstrøm, Stationsleiter der meteorologischen Station auf der Insel Bjørnøya. Er erzählte bei unserem Besuch, dass früher, als die mitten in der Barentssee gelegene Insel noch regelmäßig im Winter von Packeis und Treibeisfeldern umschlossen war, hunderte Eisbären im Winter auf ihr lebten und hier sogar ihre Jungen zur Welt brachten. Dieses Eis gibt es seit Jahrzehnten nicht mehr. Und damit sind Eisbären nur noch sehr seltene und vereinzelte Besucher. Der letzte Eisbär der vor drei Jahren die Insel auf einer Triebeisscholle erreichte, hielt sich nur kurze Zeit dort auf, da er keine Nahrung fand. Die Scholle war jedoch inzwischen geschmolzen, trotzdem sprang er auf der Suche nach Treibeisfeldern ins Meer. Die aber waren auf den Satellitenkarten der Station weit und breit nicht erkennbar. Er schwamm in den sicheren Tod durch Ertrinken.

Erderwärmung ud Umweltgifte, die Hauptbedrohungen für Eisbären !

Die Packeisränder und das Treibeis bilden durch die darauf ruhenden Bart- und Ringelrobben den Lebensraum und das überlebenswichtiges Jagdrevier der Eisbären. Dieser schmilzt ihnen nun buchstäblich unter ihren Pfoten weg!

Aufgrund der Klimaerwärmung und dem damit einhergehenden Rückgang des Packeises und des Treibeises schwindet der Bestand der Robben dramatisch. Die Lebensgrundlage und damit die Existenz der „Könige“ der Arktis schwindet mit ihnen. Die Erderwärmung ist die Hauptbedrohung der Eisbären!

Eisbären sind zwar grundsätzlich Allesfresser, sie plündern Vogelnester, greifen zur Not auch Walrosse an und verschmähen keine Walkadaver, sie sind ausdauernde Wanderer und gute Kletterer, aber ohne ihren angestammten Lebensraum, ohne eine funktionierende Arktis werden sie nicht überleben.

Es kommt bedrohend hinzu, dass die gesamte Flora und Fauna der Arktis einer schleichenden und zunehmenden Vergiftung durch Umweltgifte (z.B. Schwermetalle, PCB´s, Mikroplastik) ausgesetzt ist. Diese gelangen aus unseren Industrieländer durch Meeresströmungen und Winde selbst in den entlegensten Winkel unserer Erde und reichern sich dort in der Nahrungskette an (siehe unseren Artikel über die Bäreninsel – Bjørnøya). Raubtiere sind, da sie amEnde der Nahrungskette stehen, besonders gefährdet. Die Folgen sind eine Beeinträchtigungen des Immunsystems, eine Abnahme der Fruchtbarkeit und eine erhöhte Sterblichkeitsrate besonders bei Jungtieren.

Industrialisierung der letzten Naturräume

Aufgrund der Klimaerwärmung gibt die Natur nicht nur die Nordost- und Nordwestpassage frei und eröffnet der globalen Wirtschaft neue aber risikoreiche Handelswege für den Schiffsverkehr, sie führt zu einer zunehmenden Möglichkeit zur Erschließung von Rohstoffen in der Arktis. Vor unseren Augen verborgen, entwickelt sich hier durch Tage- und Bergbau an Land, wie durch Tiefseebergbau und Gas- und Ölförderung auf See, eine akute Gefahr für den Bestand dieser hochsensiblen und unwiederbringlichen Flora und Fauna.

Der globale Kampf um die bisher durch den Eismantel gehüteten Schätze der Arktis und ihrer Natur hat längst begonnen.

Arktis-Tourismus = Voyeurismus des Sterbens ?

Das Verschwinden des natürlichen Lebensraumes der Eisbären gilt als trauriges Symbol für den Klimawandel, die Erwärmung der Pole und die Bedrohung aller arktischen Tierarten.

Ist das der Grund, warum der Arktis-Tourismus und insbesondere der Kreuzfahrttourismus in die Arktis und Antarktis momentan so boomen ?

Um die sterbende Arktis, die schmelzenden Gletscher in ihrer ganzen Schönheit und Verletzlichkeit  noch einmal mit eigenen Augen zu sehen (und sie gleichzeitig damit weiter zu zerstören) ?

Sind Kreuzfahrer also mitschuldige Zeugen des Sterbens der Arktis und Antarktis ?

Was ist Ihre Meinung zu diesem Thema ?

Wir freuen uns auf Ihre Kommentare, Ihre Gedanken.

 

(1) Statistik sentralbyra, Statistics Norway, 2. Oktober 2019, 13 Uhr.

(2) Details unter: www.bmu.de – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit

(3) Shadbolt, T. et al., 2012: ICON ON ICE; International Trade and Management of Poloar Bears. P.30. Traffic North America & WWF-Canada

(4) arcticwwf.org (WWF SPECIES TRACKER)

(5) SAFETY IN SVALBARD: https://www.sysselmannen.no/contentassets/5f359e34e35d43a7a29f36064eaebc1c/folder_sysselmannen_svalbard_a5_engelsk.pdf

(6) Stange, Rolf, 2018: Spitzbergen Svalbard: Arktische Naturkunde und Geschichte in Wort und Bild, S. 186 ff

Ausführliche Übersicht: Jørgensen, Morton, 2015, Polar Bears on the egde, ISBN 978-3-937903-23-1

Behind the Curtain:

Beobachtungen und Gedanken am Wegesrand

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