Die Zweite Segelexpedition rund Spitzbergen: Mensch – Natur – Umwelt – Klima

 

Die Zweite Segelexpedition rund Spitzbergen: Mensch – Natur – Umwelt – Klima

SY Marevida

Ein Projekt der H.I.T.-Hamburg Stiftung

„Es wird bald so verändert sein, dass es nicht mehr die Welt sein wird, in der ich gerne leben möchte“ – Prof. Dr. Katarzyna Wojczulanis-Jakubas, Polnische Polarstation, Hornsund, Spitzbergen, 2019.

Wer hinschaut kann dieses täglich in den wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Nachrichten sehen. Doch, erreichen uns diese Nachrichten? Berührt uns das Wissen um diese Veränderungen so intensiv, dass wir es schaffen, daraus die dringend notwendige Neuausrichtung unseres Handelns und unserer Lebensziele zu entwickeln?

Mit unserer Segel-Expedition Arctic Circle 2022 möchten wir aus erster Hand erfahren und dokumentieren, was von diesen Veränderungen offensichtlich oder nur bei genauem Hinsehen erkennbar wird. Sowie sich diese Veränderungen von den Menschen, denen wir auf unserer Reise begegnen erlebt werden und welche Ideen sie für ihre Zukunft daraus entwickeln. Schon auf unserer Segel-Expedition Arctic Circle 2019 haben wir mit zahlreichen Interviews und den Aufzeichnungen unserer eigenen Beobachtungen, in den auf die Reise folgenden Veröffentlichungen und Vorträgen versucht, kleine Puzzlesteine der Sensibilisierung für die Notwendigkeit einer Neuausrichtung unseres Handelns zu setzen.

Die Segel-Expedition Arctic Circle 2022 wird hier anknüpfen und darüber hinausgehen.

In Zusammenarbeit mit Studenten der Technischen Universität Hamburg, dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, der Arctic Marine Biology Faculty for Biosciences, Fisheries and Economics von Tromsø in Norwegen und Blue Robotics, Torrance aus Kalifornien USA, und IGP Meerestechnik von Hamburg werden wir an Bord und von Bord unseres Segelschooners MAREVIDA zahlreiche wissenschaftliche Daten erheben und Beobachtungen durchführen.

Plankton

An Bord der MAREVIDA wird zum ersten Mal ein Prototyp des von Jan Gümpel, Student und Crewmitglied weiterentwickelten sogenannten Planktoscope im Rahmen einer wissenschaftlichen Expedition eingesetzt und erprobt. Diese Weiterentwicklung erstellt autonom mikroskopische Bilder von Plankton her. Anhand dieser Bilddaten und der anschliessenden Klassifikation, werden Datensätze über die jeweils vorhandenen Spezies geniert.

Als Plankton bezeichnet man alle Lebewesen im Meer und im Süßwasser, die sich nicht selbst fortbewegen können, sondern sich von der Wasserbewegung treiben lassen. Von einzelligen Algen, winzigen Krebstieren (z.B. Krill), metergroßen Quallen bis hin zu Larven von Fischen, Seesternen, Krabben und vielen anderen Meeresorganismen. Es gibt pflanzliches (Phytoplankton) und tierisches (Zooplankton) Plankton. Plankton steht am Anfang der Nahrungskette und bildet die Lebensgrundlage für viele andere Lebewesen im Meer. Wie für die riesigen Buckelwale, die sich ausschließlich von Plankton ernähren, ist Plankton auch für zahlreiche „unserer Speise“- Fische überlebenswichtig. Der Planktonzustand hat also einen direkten Einfluss auf unsere Ernährungsmöglichkeit durch die Fischerei.

Die Erwärmung der Meere, der sich verändernde Salzgehalt durch die schmelzenden Pole und viele andere Umweltfaktoren haben einen großen Einfluss auf die Zusammensetzung und die Nahrhaftigkeit von Plankton.

Wir werden das Planktoskope deshalb nicht nur unter dem Aspekt sog. Citizen Science testen, sondern während des gesamten Törns, z.B. entlang des Ausläufers des Golfstromes im Nordatlantik, permanent die verschiedenen Planktonarten in ihrer Menge und Zusammensetzung untersuchen.

Mikroplastik

Von der Ostsee über die Nordsee bis ins Arktische Nordmeer wird die MAREVIDA eine Fahrt aus den hochindustrialisierten Meeresgebieten Nordeuropas bis in die vom Menschen weitgehend unberührten Regionen der Arktis unternehmen. Entlang unserer Segelroute werden wir in definierten Positionen und Wassertiefen, Wasserproben auf ihren Gehalt an Mikroplastik untersuchen. Mikroplastik, welches sich ebenfalls im Planktonnetz als Beifang befindet, wird anschliessend von Experten ausgewertet. Anhand der Lokalisation des Kunststofftyps lassen sich Rückschlüsse auf die Umweltbelastung ziehen

Plastik ist praktisch, stabil, leicht und vermeintlich billig. Doch Plastik hat einen riesigen Nachteil: Es verrottet nicht. Jährlich gelangt so die unvorstellbare Menge von 5 bis 12 Millionen Tonnen Plastikmüll pro Jahr in unsere Meere. Vergleichbar mit einer Lastwagenladung pro Minute.

Dieser menschengemachte Plastikmüll verrottet nicht, aber er zerfällt im Laufe der Zeit in immer kleinere Teile bis hin zu mikroskopisch kleinem sogenanntem Mikroplastik.

Mikroplastik enthält Additive und gefährliche Weichmacher, wie z.B. Phthalate und Bisphenol A mit hormonellen Eigenschaften. Mikroplastik selbst reichert zudem zahlreiche Umweltgifte aus den Gewässern an, wie Schwermetalle, schwer abbaubare Schadstoffe (POPs) wie PCBs, DDT und andere Pestizide. Auf dem Mikroplastik wurden teilweise millionenfach höhere Konzentrationen von Schadstoffen gemessen als im umgebenden Meerwasser.

Mikroplastik ist so klein, dass wir es über die Luft einatmen oder über unsere Nahrung zu uns nehmen können, und es bereits in der Muttermilch nachgewiesen wurde. Mikroplastik ist so klein, dass es sogar in unsere Körperzellen eingebaut werden kann. Was diese mögliche Einlagerung in unserem Körper bewirkt ist weitgehend unerforscht. Vermutet werden chronische Entzündungen in Lunge-, Darm- und Lebergewebe, demenzähnliche Einflüsse auf unser Gehirn bis hin zur Verursachung von Krebserkrankungen.

Biodiversität der Arktis

Entlang der Küste Norwegens sind mehrere Observationsfelder von Frau Prof. Bodil Bluhm (UiT The Arctic University of Norway, Department of Arctic and Marine Biology) und ihren Kollegen zur Unterwasserfeldforschung definiert worden. Wir werden mit der MAREVIDA die Observationsfelder der Bäreninsel aufsuchen und im Rahmen dieser Studie die Biodiversität unter Wasser fotodokumentieren. U.a. im Rahmen einer Zeitachse lässt sich so der Einfluss der Umweltveränderung auf die Unterwasserwelt darstellen.

Der Arktische Ozean ist die Region, in der die Auswirkungen des Klimawandels am deutlichsten zu spüren sind. Die fortschreitende Klimaerwärmung und der Rückgang des Meereises haben einen massiven Einfluss auf die Vielfalt der dort lebenden Arten. Informationen über diese Veränderungen sind wesentliche Hinweisgeber darauf, welche Folgen diese Veränderungen für uns Menschen haben wird.

Menschengemachter Umwelteinfluss in Boden- und Sedimentproben

Auf unseren vergangenen Reisen im Rahmen der der H.I.T.-Stiftungsarbeit haben wir in zahlreichen Regionen unserer Welt und sehr offensichtlich eine massive Belastung der Umwelt durch Abwässer und Abfälle aus Landwirtschaft, Industrie und unserer Haushalte erlebt.

Im Rahmen der Segel-Expedition der MAREVIDA in die Arktis, werden wir an definierten Positionen Boden- und Meeressedimentproben entnehmen, um zu untersuchen, wie weltumspannend die Verteilung der Belastung durch menschengemachte Umweltgifte ist.

Müll-Sammlung

Wie schon auf unserer vorangegangenen Arktis Expedition werden wir auch in diesem Jahr im Meer treibenden Müll einsammeln und Küstenabschnitte, die wir besuchen insbesondere von Plastikmüll reinigen. 2019 fanden wir auch an den einsamsten und unzugänglichsten Küstenabschnitten des arktischen Svalbard Archipels angespülte Fischernetze und weiteren Plastikmüll aus aller Herren Länder, wie Spülmittelflaschen, Kunststoffcontainer, Joghurtbecher, Plastiktüten, Zahnbürsten, Plastikschuhe u.v.a.m. Jedes Jahr sterben mehr als 100.000 Meeressäuger und Schildkröten und mehr als 1 Millionen Seevögel an im Meer treibendem Plastikmüll.

Erprobung einer Unterwasserdrohne im wissenschaftlichen Einsatz

Viele, auch oberflächennahe Meeresregionen sind nur durch Tauchgänge zugänglich und zu erforschen. In unbekannten Meeresregionen, insbesondere in arktischer Kälte oder unklaren Strömungssituationen ist dieses jedoch auch für erfahrene Taucher gefährlich.

Wissenschaftliches Arbeiten wie Fotodokumentation oder Probenentnahmen braucht jedoch eine hohe und wiederkehrende Präzision, z.B. dürfen Wasser- oder Sedimentproben beim Auftauchen nicht verdünnt oder verunreinigt werden.

In Zusammenarbeit mit BLUE ROV Solutions, IGP Meerestechnik, Hamburg, werden wir auf unserer Segel-Expedition testen, ob der Einsatz einer kleinen, aber sehr professionellen Unterwasserdrohne (BlueROV2 Blue Robotics, Torrance, CA, USA) mit einer möglichen Tauchtiefe bis zu 100m, diese wissenschaftliche Arbeitspräzision ermöglicht und u.a. dadurch den gefährlichen Einsatz von Tauchern in diesen arktischen Regionen reduzieren kann.

Unsere Reiseroute nach Spitzbergen

Die Inselgruppe von Svalbard mit der Hauptinsel Spitzbergen im Nordpolarmeer ist eine der wenigen, zumindest weitgehend noch unberührten Regionen dieser Welt. Sie umfasst etwa 400 Inseln und Schären, die in großen Teilen von Gletschern bedeckt sind. Nur Spitzbergen ist an der Westküste mit drei kleinen Ansiedlungen dauerhaft bewohnt.

Wir starten unsere Reise in die Einsamkeit des hohen Nordens in Kappeln am deutschen Ostseefjord Schlei. Nach Passieren des Nord-Ostsee-Kanals geht der Kurs nach Helgoland und von dort aus quer über die Nordsee zu den Inselgruppen Orkney und Shetland Inseln. Den Ausläufern des Golfstroms folgend, segeln wir entlang der norwegischen Küstenlinie nach Nordosten bis zu den Lofoten, um dann von Tromsø aus über die arktische Barentssee und die Bäreninsel Kurs auf Spitzbergen zu nehmen. Je weiter wir uns von unserem Heimathafen Hamburg entfernen, umso einsamer, dünner besiedelt, rauer und zugleich sensibler wird die Natur.

Doch selbst hier, in diesen zum Teil sehr weit abgelegenen Regionen der Welt, sind die Auswirkungen des ungebremsten Tourismus, der Klimaerwärmung und vielfältiger Umweltbelastungen inzwischen eklatant.

Wir segeln mit der SY MAREVIDA, einem für Expeditionsreisen ausgerüsteten und eisverstärkten Segelschoner (Zweimaster). Sofern dies navigatorisch (Eisdrift und Stürme) möglich und verantwortbar sein wird, werden wir die Inselgruppe komplett umrunden. Die Reise Project Arctic Circle 2022 rund Spitzbergen beginnt am 14. Mai 2022, die Rückkehr nach Hamburg ist für den 26. August 2022 geplant.

Begleiten kann man unsere wissenschaftliche Arbeit, unsere Beobachtungen, Begegnungen und Interviews über unseren Blog, www.project-arctic-circle.com/blog. Oder über unser Instagram-Profil, project.arctic.circle.

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Behind the Curtain:

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