10 TAGE VOR DEM START – EINE RÜCKBLENDE

 

10 TAGE VOR DEM START – EINE RÜCKBLENDE

10 Tage vor dem Start – eine Rückblende

Arnis (54° 38′ 45´´N , 009° 56′ 00´´E)

Die MAREVIDA hat einige Tage auf der Schiffswerft Otto Eberhardt in Arnis gelegen und kommt heute zurück in ihr ureigenes Element – das Wasser. Korrekterweise müsste ich sagen: sie hat auf dem Dock gestanden. Denn das Schiff ist so konstruiert, dass es auf dem Kiel und den beiden Ruderblättern stehen, also trocken fallen kann. Das heißt, sie würde weder im Watt, in flachen Ufergestaden noch am Strand kippen oder in Schieflage geraten. Bei einem Gewicht von 38 Tonnen setzt das eine sehr stabile Konstruktion voraus. Diese Stabilität stärkt natürlich auch auf See das Vertrauen in unser Schiff.

Der TÜV fürs Unterwasserschiff

Auf der Werft wurden der Kiel, der Schwertkasten sowie der gesamte Rumpf von Seepocken und Algenbewuchs befreit; das Unterwasserschiff neu gestrichen und poliert.
Am Schiffsrumpf sind suppentellergroße und kiloschwere Zinkanoden montiert, die ein Korrodieren des Rumpfes verhindern sollen. Kleinere Anoden finden sich zusätzlich an den Ruderblättern, den Schiffsschrauben sowie dem Bugstrahlruder. Um deren Funktionstüchtigkeit sicherzustellen, müssen die Anoden jährlich kontrolliert und etwa alle zwei Jahre im Bedarfsfall ersetzt werden, was bei einigen der Fall war.

Ferner sieht die Wartungscheckliste eine Funktionskontrolle sowie das Polieren und Einfetten der Schiffsschrauben vor. Sie lassen sich bei Fahrt unter Segeln zusammenfalten. So erlauben sie durch den geringeren Wasserwiderstand ein schnelleres Segeln. Zudem können sich Fremdkörper, wie im Meer treibende Leinen und Netze, nicht so leicht verfangen. Zusätzlich sind die Schrauben durch scharfe, rotierende Messer, so genante »rope cutter«, geschützt. Bei unserer Englandreise im vergangenen Jahr haben wir es auf diese Weise immerhin geschafft, keinen der sehr zahlreichen Hummerkörbe, die an der schottischen, irischen und englischen Küste ausliegen, unfreiwillig mitzubringen. Würde  ein Netz oder eine Leine die Schiffsschrauben blockieren, kann dies auch für ein Segelschiff die Manövrierunfähigkeit und damit eine ernste Gefahr bedeuten.
Nun aber sind die Kontrolllisten für das Unterwasserschiff abgearbeitet. Unter der Wasserlinie ist die MAREVIDA fit für die Reise.

MAREVIDA


Zwei Seemeilen – Genuss pur !

Grauer, kalter Frühjahrsregen kriecht in die Kleidung und trotzdem stehe ich mit einem breiten Grinsen im Trockendock am Ruderstand. Mit leichtem Rucken setzt sich der Slipwagen in Bewegung und ich spüre unter meinen Füßen, wie das Schiff über leicht quietschende Schienen sehr langsam in sein Element zurückgleitet. Ein Schiff auf dem Trockenen macht auf mich immer einen etwas traurigen Eindruck. Aber die MAREVIDA schwimmt wieder. Es weht nur eine schwache Brise aus SW, ich löse die Leinen zum Dock und als Kurzzeiteinhandsegler nehme ich Kurs auf unseren Liegeplatz in Kappeln. Die Schlei liegt an diesem Nachmittag völlig verlassen. Es sind die ersten, lediglich zwei Seemeilen in diesem Jahr. Eine kurze Strecke, aber ein Grund zu tiefer Freude. Das Wasser strömt mit leisem Glucksen am sauberen glatten Rumpf, ein paar Graugänse und Schwäne dümpeln träge am Fahrwasser. Das graue Wetter, der seichte Wind – wir sind das einzige Schiff. Alles ist Ruhe und Frieden. Und doch keimt in allem der Aufbruch: Für die Natur ins Frühjahr. Für uns ins Abenteuer.

Gut vertäut bis zum Reisestart

Nach knapp einer Stunde liegt das Schiff wieder an seinem angestammten Liegeplatz. Gesichert durch zwei dicke Vorleinen gegen unsere Hauptwind- (und gelegentlich auch Sturm-) richtung West. Zusätzlich fixieren Achterleine, Vor- und Rückspring sowie zwei Kopfleinen das Boot an seiner Kaiposition. Acht Fender schützen den Rumpf zur Pier hin gegen Beschädigungen. Jeder wiegt etwa 18kg. Diese Schwergewichte aus ihren Stauräumen zu wuchten und an der Reling zu positionieren, ist echte Arbeit …   Als ich die MAREVIDA am Abend verlasse, wiegt sie sich sanft in den Wellen. Was uns wohl erwarten wird im Nordatlantik …?

Der Countdown läuft …

Jetzt hätte ich gerne noch drei Wochen Zeit zum Vorbereiten des Reisestarts unseres Arctic Circle 2019. Drei Wochen ohne Vollzeitberuf mit totaler Konzentration auf einen Generalcheck aller technischen Systeme an Bord: aller Befestigungen (Stagen), die unsere Masten halten, aller Sicherheitsausrüstungen, Zeit für den umfänglichen Check der Segel und des Tauwerks an Bord. Drei Wochen zum Abarbeiten aller Einkaufslisten, zum Packen und vor allen zum systematischen Verstauen all der vielen, vielen Dinge an Bord, die man für eine solche Reise braucht. Kurzum: Die Planung der Expedition verschlingt viel Vorbereitungszeit und der Beruf fordert bis zur letzten Minute. Erst recht, weil eine solch lange Abwesenheit vom Arbeitsleben gut strukturiert vorbereitet werden muss. Und es wird auch keine drei Wochen Aufschub geben. Der Starttermin steht …

Wie solche Checklisten aussehen, was bedacht werden muss und was eine solche Reise von einem „normalen Urlaub“ unterscheidet, davon später.

Behind the Curtain:

Beobachtungen und Gedanken am Wegesrand

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